Mobile Lagerverwaltung im KTM MotoCross Team - mit Offline-Sync zum Headquarter
Holger Wermke
Eine Mischung aus Offline-fähiger Field Service App und mobiler Lagerlösung - das ist das Szenario von KTM Racing. Mit Ontego dokumentiert das Technik-Team Warenverkäufe und bucht sie zeitversetzt zurück ans Headquarter und ins führende SAP.
Ein Mobiles Warehouse für KTM Racing Teams
Die KTM AG mit Sitz in Mattighofen (Oberösterreich) ist Europas größter Motorradhersteller und beschäftigt weltweit rund 3.700 Mitarbeiter. Neben der Serienproduktion von Motorrädern betreibt das Unternehmen ein umfangreiches Motorsportprogramm mit internationalen Einsätzen – etwa in der MotoGP, im Motocross oder bei Events wie der Dakar-Rallye.
Diese Veranstaltungen stellen auch besondere Anforderungen an die Materiallogistik: mobile Lagerorte auf Service-Trucks, hoher Zeitdruck und oftmals keine Onlineverbindung zum zentralen SAP-System. Um diese Herausforderungen zu bewältigen, wurde gemeinsam mit commsult eine mobile Lösung entwickelt, die die SAP-Prozesse in der Materialwirtschaft auch unter Offline-Bedingungen zuverlässig unterstützt.
Motorsportlogistik mit SAP – eine Herausforderung
„Wir sind mit unseren Renntrucks weltweit unterwegs – von MotoGP über Supercross bis zur Rallye Dakar“, berichtet Thomas Klein, verantwortlich für ERP Finance & Logistics und Projektverantwortlicher von KTM. „In diesen Trucks führen wir rund 100 Materialien, von Ersatzteilen bis zu Spezialkomponenten." Eine SAP-Onlineverbindung ist dort oft nicht möglich. Gleichzeitig braucht es auf Unternehmensebene eine möglichst hohe Bestandstransparenz und Reaktionsmöglichkeiten bei Unterschreiten von Meldewerten.
Eine selbstentwickelte Lösung erreichte 2018 das End-of-Life-Stadium. Eine zukunftsfähige Lösung war gesucht. Gemeinsam mit commsult wurde ein spezifisches Set-up entwickelt - und auch realisiert:
- Ein dreistufiges Architekturmodell, bestehend aus einem lokalen Truck-Server, mobilen Scannern (Ontego-Clients) sowie einem HQ-Server, der die SAP-Synchronisation übernimmt.
- Die mobile App erlaubt es, sämtliche Lagerbuchungen auch ohne Internetverbindung durchzuführen.
- Erst im Nachgang – etwa über das Hotel-WLAN – erfolgt die Datenübertragung ans Headquarter und von dort aus an SAP.
Warum Speziallösung statt SAP?
Grundsätzlich ist bei KTM SAP das führende System. Allerdings sind die Standard-Mittel von SAP für diesen spezifischen Anwendungsfall nicht optimal geeignet. "...jedoch benötigt man zu unserem Netzwerk eine Verbindung und das konnten wir damit nicht gewährleisten, da wir mit den Trucks in verschiedensten Weltregionen unterwegs sind, wo man teilweise schauen muss, dass man überhaupt Internetzugang hat", beschreibt Klein die praktischen Herausforderungen der Renn-Techniker.
In der Praxis ist es so, dass über Laptops im Truck ein lokales Netzwerk aufgebaut wird, über das die Techniker vor Ort dann per Handheld Entnahmen buchen. Eine Server-Anwendung speichert die Materialbewegungen zunächst. Der Vorteil für Techniker liegt auf der Hand:
- Schneller Materialzugriff dank mobiler Bestandsinformationen
- Offline-Buchungen vor Ort im Truck – ohne Umweg über das SAP-System
- Transparente Nachverfolgung für Zoll und interne Auswertungen
„Der Mitarbeiter weiß immer genau, wo welches Teil liegt“, erklärt Klein. „Er scannt einfach den Barcode, sieht den Lagerplatz – und holt das Teil. Keine Zettelwirtschaft, kein langes Suchen.“
Lagerprozesse auf kleinstem Raum im mobilen Einsatz
Die mobile SAP-App bietet in erster Linie klassische mobile Lagerbuchungen. Im Feld können Techniker unter anderem folgende Prozesse durchführen:
- SAP-Wareneingang und Warenausgang buchen
- Umlagerungen zwischen Lagerplätzen oder Trucks dokumentieren
- Rücknahmen und Retouren erfassen
- Bestandskorrekturen durchführen
- Inventuren zählen
- Picklistenbearbeitung
Die Erfassung erfolgt intuitiv über Barcodescanner und eine native Logistik-App. Die Identifikation von Lagerplätzen und Materialien ist eindeutig gelöst – etwa durch spezifische Barcode-Logiken je Truck. Die App läuft auf robusten Android-Endgeräten und ist bewusst auf Offline-Funktionalität ausgelegt. Die Synchronisationen zwischen Truck-Server und Headquarter erfolgt nach einem Tagesabschlussprozess.
Flexibilität durch Offline-Prozesse
Eine kritische Fähigkeit im Projekt war die vollständige Offline-Fähigkeit der Lösung. Gerade bei Events in abgelegenen Regionen, etwa in der Wüste von Abu Dhabi, ist eine Internetverbindung keine Selbstverständlichkeit.
Mit der Mobile Warehouse Lösung sind die bis zu 5 Mitarbeiter je Truck in der Lage, alle Lagerbewegungen auch ohne Datenverbindung zu dokumentieren. Der Datenabgleich in Richtung SAP erfolgt zeitversetzt nach den Rennen.
Interessant in dem Kontext ist die zweistufige Synchronisation zwischen den mobilen Truck-Servern und der Headquarter-Anwendung sowie dem HQ-Server und SAP.
Durchdachte SAP-Integration
Die zentrale SAP-Schnittstelle ist am HQ-Server verankert. Von dort aus werden Buchungen – etwa Warenausgänge, Umlagerungen oder Retouren – direkt ins SAP verbucht - nach Freigabe durch den verantwortlichen Mitarbeiter.
Die Lösung nutzt Standardbausteine wie BAPI_GOODSMVT_CREATE und ermöglicht bei Bedarf manuelle Nachbearbeitungen. Fehlerhafte oder unvollständige Buchungen werden durch Validierungsroutinen gefiltert. Nach manueller Prüfung im Einzelfall erfolgt die Rückmeldung an SAP.
Carnet ATA & Zollreports
Neben der Bestandsführung wurde bereits in der Konzept Wert auf weitere spezifische Funktionen mit Mehrwert gelegt, etwa die Generierung eines Carnet ATA für die Zollabwicklung. Auf Basis der Server-seitig geführten Bestände und Materialstammdaten auf dem Fahrzeug lassen sich die mitgeführten Komponenten exakt dokumentieren – ein Muss für internationale Transporte außerhalb der EU.
Für die Mitarbeiter am Fahrzeug eine echte Erleichterung, laut Klein: "Man kann Listen ausdrucken, in denen genau vermerkt ist, was in diesem Truck alles mitgeführt wird. Damit kann der Zollbeamte überprüfen, ob man irgendein Material dabeihat, was man nicht einführen sollte".
Auch „historische Verbrauchsdaten“ früherer Rennen werden im System ausgewertet, um Bestückungsvorschläge für künftige Events zu generieren.
Effizienteres Arbeiten unter extremen Bedingungen
Die gesamte Lösung ermöglicht den Teams vor Ort bei den Rennen ein einfacheres Arbeiten und mehr Fokus. Neben der Lagerführung übernehmen viele von ihnen auch logistische Aufgaben wie das Reinigen und Verladen der Trucks – umso wichtiger ist eine pragmatische, zuverlässige Lösung im Bestandsmanagement.
Die Arbeit ist dank der Mobile Warehouse Lösung deutlich strukturierter. Und die Mitarbeiter können sich aufs Wesentliche konzentrieren – nämlich den Rennbetrieb.— Thomas Klein, ERP Finance & Logistics
Fazit
Der Fall KTM zeigt: Mobile SAP-Lösungen funktionieren dann besonders gut, wenn sie exakt auf den Anwendungsfall zugeschnitten sind. Ob in der Wüste oder auf dem Grand-Prix-Kurs – KTM Racing kann sich auf seine mobile Lagerlösung verlassen. Möglich gemacht wurde das durch ein spezifisches technisches Konzept aus mobiler Lösung und Server-Anwendung.