Mobile SAP-Prozesse beim Medizintechnik-Fertiger Thoratec - automatisiert & validiert
Holger Wermke
Ontego kann mehr als nur mobile Datenerfassung. Das zeigt das Projekt am Zürcher Standort von Abbott. Hier wurde die Arbeitsweise in Lager und Produktion weitgehend automatisiert – mit Ontego als zentralem Daten-Hub zwischen SAP, Lagerlift und Label-Management.
Abbott ist ein weltweit tätiger Anbieter von Medizintechnik und Markengenerika. In der Schweiz produziert das Unternehmen kardiovaskuläre Technologien wie Linksherzunterstützungssysteme. In der dortigen Materialwirtschaft kommt seit 2020 eine Ontego Lösung zum Einsatz. Im Unterschied zur klassischen mobilen Datenerfassung mit SAP ist Ontego bei Abbott der zentrale Daten-Hub inmitten verschiedener Peripherie-Systeme.
Aufwändige manuelle SAP-Buchungen
Der Abbott Standort in Zürich verfügt über räumliche Restriktionen, die einen effizienten Umgang mit Platz erfordern. Der Fokus liegt auf der Produktion mit Materialwirtschaft und Lagerhaltung als unterstützende Prozesse. SAP ist innerhalb des Abbott Konzerns das führende System, das im Zuge der Standort-Integration auch im Technopark eingeführt wurde. “Wir haben uns immer ein bisschen davor gesträubt, viele SAP-Buchungen zu machen”, erinnert sich Thomas Locher, Senior Manufacturing Engineer. Am PC sitzen, die Transaktionen am SAP GUI aufrufen, die Daten von Hand eingegeben – all das sei ein sehr aufwändiges Prozedere gewesen.
Strikte Reglementierung des SAP-Systems
Die Einbindung in Konzernstrukturen brachte eine zentrale Herausforderung mit sich. Als führendes System im Unternehmen wird das SAP von der Corporate IT zentral verwaltet und stark geschützt. Zugriff auf SAP-Funktionen ist nur über wenige Schnittstellen möglich. Lochers Einschätzung lautet rückblickend: “SAP wurde bei uns eingeführt, damit wir ein Tracking von allem haben, aber nicht, damit das Leben einfacher wird”. In der Konsequenz suchten Locher und seine Kollegen nach einer Lösung für eben genau die gesuchten einfachen und automatisierten Prozesse.
Ziel: Automatisierung im Materialfluss
So reifte der Entschluss, die Prozesse der Datenerfassung in der Produktion und im Lager weitgehend zu digitalisieren. “Der Hauptwunsch war eigentlich eine komplette Automatisierung”, bestätigt Locher, und zählt einige Aspekte auf, die mit einem umfangreichen Projekt erreicht werden sollten:
- Komplett digitales Erfassen von Losnummern
- Konsequente Nutzung von Barcode-Labels auf Materialien und Fertigprodukten
- Integration von SAP mit Lager-Hardware und Software
Komponenten im automatisierten Materialfluss
Abbott Switzerland nutzt verschiedene Komponenten für die digitale Abwicklung des Materialflusses:
- SAP als führendes Backend-System
- Lagerlift-Systeme
- Labelmanagement-Software
- Label-Drucker
- Software für mobile Datenerfassung
Die Herausforderung war es, die einzelnen Systeme miteinander zu verbinden. Einzelne Systeme verfügen über Schnittstellen zum SAP. Das Warenwirtschaftssystem seinerseits ist allerdings nicht dafür vorbereitet, den Datenfluss zwischen den einzelnen Komponenten zu steuern. “Also haben wir uns für eine Software in der Mitte entschieden, die all diese Schnittstellen verbindet und auch gleich noch auf unsere Bedürfnisse eingeht im Prozessfluss”, erklärt Locher, “nämlich, eine Software, die im richtigen Moment den User unterstützt und die Daten an den richtigen Ort weiterschickt”.
Ontego als zentrales Interface
In diesem Fall wird der von Abbott gewünschte Daten-Hub über die Ontego Plattform abgebildet. Neben dem klassischen Einsatzfeld, der mobilen Datenerfassung auf Handhelds, kommen in Zürich ergänzende, Server-basierte Funktionen zum Einsatz. Zentral ist hierbei der Ontego Mobility Layer, eine spezielle Server-Komponente. Locher drückt es ganz nonchalant aus, wenn er sagt, dass Ontego nichts weiter mache, als über die mobile App Daten von Barcodes auszulesen und diese im Hintergrund an SAP und andere Systeme weiterzuleiten. Insgesamt zwischen 1.000 und 2.500 Transaktionen jeden Monat.
Software, die im richtigen Moment den User unterstützt und die Daten an den richtigen Ort weiterschickt.— Thomas Locher Senior Production Engineer, Abbott Zürich
Digitale Auftragsübergabe an Lagerlift
Eine der ersten Entscheidungen fiel für die Anschaffung von automatischen Kleinteilelagern bzw. Lagerliftsystemen. Installiert wurden drei Systeme des Schweizer Spezialisten Hänel. Und der Effekt war enorm: “Früher hatten wir die Hälfte unserer Produktionshalle mit Gestellen gefüllt. Mindestens 50 Quadratmeter haben wir jetzt durch die vertikalen Lagerlifte gut gemacht”, resümiert Locher. Das Problem war, dass die Hänel-Lifte eine eigene Bestandsverwaltung besitzen, die nicht mit der Bestandsführung in SAP synchronisiert war. Das führte zu manuellen Bereinigungsprozessen mit entsprechendem Zeitaufwand.
Heute übernimmt Ontego die Synchronisation:
- Initiale Work Order zur Ein- oder Auslagerung aus dem Lift auf dem Mobilgerät
- Ontego schickt Materialnummern usw. an den Lift
- Mitarbeiter lagert ein oder aus und bestätigt lediglich Buchung am Lift
- Ontego kommuniziert mit Lift und erhält Information über die Buchung
- Ontego synchronisiert Bestandsveränderung am Lift automatisch in SAP
Konkret messbar wird die Zeitersparnis dieser digitalen Arbeitsweise durch den Wegfall der händischen Auftragseingabe am Lagerlift, der die Eingabe folgender Daten erwartet:
- Materialnummer (7-stellig)
- Batch-Nummer (9-stellig)
- Datum für FIFO-Strategie (8-stellig)
In Summe dauerte die Eingabe dieser Daten durch einen Mitarbeiter am Liftbildschirm zwischen 30 und 60 Sekunden je Auftrag. Zwischen 250 und 400 Lagerbewegungen mit Hänel-Bezug verzeichnet man im Mittel je Monat. Das heißt, jeden Monat spart Abbott zwischen 2 und 4 Stunden Arbeitszeit allein durch die Automatisierung am Lagerlift.
Integration mit dem Label-Management
In Produktion und Lager nutzt man bei Abbott in Zürich über 100 verschiedene Labels. Monatlich drucken die Mitarbeiter ca. 5.000 Etiketten. Wo früher jeweils manuelle Eingaben erforderlich waren, reicht heute ein Scan und Druckerauswahl, um den Druck zu starten. Eine spezialisierte Software-Lösung verwaltet die Label-Templates aund auch mit dieser Label-Lösung kommuniziert Ontego.
In der Praxis sieht das dann bspw. so aus: Möchte ein Operator ein Produkt-Label drucken, steigt er am Handheld über den Scan einer Work Order ein. Die Details des Auftrags wie Material, Ablaufdaten, Chargen etc. erhält Ontego aus SAP. Ontego kann die Materialnummer dem passenden Label zuordnen und die vorgesehenen Daten bereitstellen. Diese zusammengeführten Daten übergibt Ontego an die Label-Software. Dort werden die Label-Felder befüllt und Druckaufträge vorbereitet. Der Mitarbeiter kann am Mobilgerät noch den passenden Drucker auswählen. Und fertig. Am Drucker seiner Wahl erhält der Mitarbeiter dann je nach Auftrag ein oder mehrere Label, die er dann gemäß Work Order an den Materialien anbringen kann.
Der oben beschriebene Prozess auf einen Blick:
- Scan einer Work Order
- Auswahl eines Druckers am Handheld
- Der Druck beginnt...
Validierung der mobilen Lösung
Als Medizintechnik-Unternehmen unterliegt Abbott strengen Regularien in verschiedensten Bereichen - ähnlich wie im Pharmabereich, wo Software nach den Vorgaben des “Good Automated Manufacturing Practice Supplier Guide for Validation of Automated Systems in Pharmaceutical Manufacture” (GAMP) getestet wird.
Auch die im hier beschriebenen Projekt eingesetzte Software durchlief einen gründlichen Validierungsprozess, der von Locher betreut wurde. Die Validierung ging über eine reine Prüfung von Funktionalitäten hinaus, betont der Ingenieur. Geprüft wurden, ob jegliche Anforderungen erfüllt seien in den Bereichen Datensicherheit, Datenintegrität, Cyber-Security etc. Aus seiner Erfahrung lohnt sich der aufwändige Prozess und er empfiehlt, nicht bloß einfache Testfälle durchzuspielen, sondern auch Variationen und seltene Szenarien zu definieren.
Fazit
Anspruchsvolle Produktions- und Logistikprozesse auf engstem Raum – das sind die Rahmenbedingungen, mit denen die Mitarbeiter von Abbott im Technopark in Zürich umgehen. Die Lösung ist ein hochautomatisierter Materialfluss – vom Wareneingang über die Fertigung bis zum Versand. Ontego wird dabei nicht nur für die mobile Datenerfassung genutzt, sondern ergänzt über die Ontego Middleware-Komponente zentrale Funktionen im Datenaustausch zwischen den beteiligten Systemen.