Android Handhelds - wann lohnt die SAP MDE-Modernisierung?
Holger Wermke
Mobile Datenerfassung funktioniert auch mit Android – diese Erfahrung machen Unternehmen, die ihre Scanner-Lösungen modernisiert haben. Die Modernisierung einer MDE-Lösung ist in den meisten Fällen ein größeres Projekt. Der folgende Artikel zeigt am Beispiel der SAP-Logistik, wie der Umstieg auf moderne Handhelds und Logistik-Apps reibungslos gelingt.
Warum planen Unternehmen derzeit Umstiege?
MDE-Lösungen gehören im SAP-Umfeld zum Standard-Werkzeug in der Intralogistik. Und das schon seit mindestens zwei Jahrzehnten. Es liegt auf der Hand, dass die eine oder andere Lösung in die Jahre gekommen ist und nicht Schritt gehalten hat mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der internen Prozesse und Abläufe.
Darüber hinaus gibt es externe Faktoren, die eine Modernisierung von Scanner-Lösungen sinnvoll machen. Ein wesentlicher Impuls, tatsächlich mit der Planung zu beginnen, geht dabei häufig von der eingesetzten Hardware aus:
- keine MDE-Geräte verfügbar
- eingeschränkte Betriebssicherheit
- Performance
Geräteverfügbarkeit
Windows CE Geräte fallen aus und häufig ist kein Ersatz (mehr) möglich. Geräte, die ursprünglich einmal mit der Einführung der MDE-Lösung angeschafft wurden, erreichen das Ende ihrer Lebensdauer und müssen ersetzt werden. Manchmal findet man bei ausgewählten Händlern noch Restbestände, zunehmend findet sich am Markt jedoch kein Ersatz mehr für Altmodelle.
Betriebssicherheit
Abgekündigter Support für mobile Windows Betriebssysteme führt zu Sicherheitslücken, die nicht mehr geschlossen werden. MDE-Lösungen, die bis in die späten 2010-er Jahre eingeführt worden sind, basieren in der Regel auf MDE-Geräten mit einem Windows Betriebssystem, z. B. Windows Mobile oder Windows CE. Seit 2013 ist der Support für diese Betriebssysteme schrittweise eingestellt worden.
Die Einstellung des Supports hat in der Praxis vor allem aus Sicherheitsaspekten Konsequenzen: Der Betrieb von Geräten mit Windows Betriebssystem ist mit Risiken verbunden, weil sicherheitsrelevante Lücken nicht mehr mit Updates geschlossen werden. Die Sicherheitsbedenken aufgrund des eingestellten Windows-Supports ist für IT-Manager ein Grund, die Modernisierung von Scanner-Lösungen voranzutreiben.
Performance
Veraltete MDE-Technologien sorgen für Akzeptanzprobleme bei Mitarbeitern. Denn auch von Mitarbeitern geht eine Erwartungshaltung aus: Wer aus dem Privaten moderne Smartphones gewohnt ist, fragt sich irgendwann auch, warum sein Arbeitgeber keine zeitgemäßen Werkzeuge bereitstellt. Denn kleine Bildschirme, altmodische Benutzerführung und auch mäßige Anwendungsperformance sorgen für Unmut und beeinträchtigen die Produktivität.
MDE-Modernisierung geplant, was nun?
Welches der oben genannten Motive treibend ist, macht am Ende keinen entscheidenden Unterschied. Das Ziel ist klar – und nun sollte der Blick nach vorn gerichtet werden. Allzu häufig soll der Status quo in einem etwas zeitgemäßeren Gewand fortgeschrieben werden. Das kann im Einzelfall passen, möglicherweise wird damit jedoch auch Potenzial verschenkt.
Wesentliche Aspekte, die hier in den Blick genommen werden sollten, sind:
- Status quo hinterfragen: Passen die bestehenden MDE-Prozesse noch zu den heutigen Anforderungen in der Intralogistik?
- Potenziale identifizieren: Lassen sich mit neuen Technologien und Abläufen die Logistik-Prozesse verbessern?
- Passende Software finden: Sollen eher Transaktionslogiken im Vordergrund stehen oder eher die physischen Logistik-Prozesse und die Bedienbarkeit der MDE-Lösung?
- Team zusammenstellen: Welche Fachbereiche sollten in meinem Unternehmen in die MDE-Modernisierung eingebunden werden?
- Partner recherchieren: Welcher Dienstleister für die Logistik-App und welcher Lieferant für mobile Hardware passt zu unseren Anforderungen?
Sind die MDE-Prozesse noch aktuell?
Mobile Datenerfassung gehört im SAP-Umfeld seit über 20 Jahren zu den etablierten Technologien, um Prozesse in Lager, Produktion, Versand und anderen Bereichen papierlos abzuwickeln. Bestandslösungen werden, so unsere Erfahrung, einmal grundlegend konzipiert, anschließend umgesetzt, dann in Betrieb genommen und punktuell angepasst bzw. weiterentwickelt. Die Modernisierung – oder auch Portierung – einer MDE-Lösung aus dem Windows Mobile-Umfeld in die Android-Welt bietet den optimalen Anlass, die mobilen Prozesse auf den Prüfstand zu stellen.
Hier einige ausgewählte Fragen, mit denen Sie in der Anfangsphase eines Portierungsprojektes Optimierungspotenziale erkennen können:
- 1. Kommt im Lager oder auf dem Shopfloor noch Papier zum Einsatz und warum?
- 2. Gibt es Tätigkeiten, in denen Mitarbeiter durch Wege- oder Wartezeiten unnötig Zeit verlieren – welche sind das?
- 3. Wird für SAP-Buchungen im Rahmen von Lagerprozessen auch ein Desktop-Arbeitsplatz genutzt und können diese Buchung auch mobil bearbeitet werden?
- 4. Welche Funktionen der bestehenden MDE-Lösung sollten verbessert werden?
- 5. Kann ein Lagerleitstand oder eine Monitoring-Komponente ausgewählte mobile Prozesse ergänzen?
Es gibt viele weitere Fragen, die Lagerverantwortliche rund um die Logistikpraxis und die Arbeit der Mitarbeiter stellen können.
Unser Tipp: Lassen Sie die Fachabteilung, z. B. Logistik oder Produktion, Anforderungen und Ziele formulieren, auch wenn diese in der aktuellen MDE-Lösung so nicht vorhanden sind. Für die Abstimmung mit dem Partner der künftigen Scanner-App sind dies allemal sinnvolle Handreichungen, um passende Lösungen für die tatsächlichen – physischen – Logistikprozesse mit SAP zu finden.
Optimierungspotenziale und leichteres Arbeiten
Im Vorfeld von MDE-Modernisierungsprojekten kommen regelmäßig einschlägige Themen zur Sprache, die gerade im SAP-Umfeld eine Rolle spielen:
Reibungsloses Arbeiten ohne Abstürze. Konkret gemeint sind störende Unterbrechungen im Anwendungsablauf von Bestandslösungen. Verantwortlich ist die ursprünglich verwendete Technologie, z.B. SAP Console, Telnet oder ITSmobile. Zu Abbrüchen kommt es in der Regel, wenn die WLAN-Verbindung zum MDE-Gerät abreißt. In der Folge gehen die in einem Buchungsprozess eingegebenen Daten verloren, und die Anwendung muss neu gestartet sowie die Buchung neu begonnen werden. Es liegt auf der Hand, dass solches Verhalten einer Software zu Frustration beim Lagermitarbeiter führt.
Moderne Lösung speichern Daten zwischen und halten diese vor, bis im Hintergrund die Datenverbindung wieder aufgebaut ist. Anschließend kann der Mitarbeiter die begonnene Buchung einfach abschließen.
Nutzung von OCR-Texterkennung, RFID oder NFC. Aktuelle Industrie-Handhelds unterstützen vielfältige Technologien zur mobilen Datenerfassung, die in Kombination mit der passenden Software flexible Prozesse ermöglichen. So lässt sich mittels integrierter Kameras Text erkennen, auslösen und damit die Erfassung vereinfachen und automatisieren – etwa bei Bestellnummern auf Lieferscheinen.
In der Produktion erleichtern NFC-Tags die Rückverfolgung von Geräteninklusive angereicherter Daten. Über die Scanner-App lassen sich z. B. Daten aus dem SAP Variantenkonfigurator mit einem Geräte-Barcode verknüpfen und in ein NFC-Tag schreiben. Oder: Spezielle Drucker ermöglichen den Druck von RFID-Etiketten, wobei die Scanner-App die erforderlichen Informationen liefert, z. B. bei der Quittierung von Transportaufträgen in der Produktionsversorgung.
Unser Tipp: Logistikleiter sollten sich heute nicht mehr allein mit dem Korsett von Standard-Frameworks zufriedengeben, sondern ihre mobile Datenerfassung passgenau gestalten, um Verbesserungs- und Automatisierungspotenziale zu nutzen.
Die passende MDE-Software finden
Mitentscheidend für den Erfolg eines MDE-Relaunchs ist die Auswahl und Umsetzung der Scanner-Software sowie des entsprechenden Dienstleisters. Es hängt von der Präferenz im Unternehmen ab, ob der SAP-Berater mit seinem eher generalistischen Ansatz die MDE-Lösung Android-fähig macht oder ein spezialisierter Software-Anbieter mit Logistik-Know-how beauftragt wird – beide mit ihren jeweils eigenen Ansätzen:
- Transaktions-orientierter Ansatz von SAP-Beratern: Die Buchungs-Logik von SAP-Transaktionen ist die maßgebliche Leitlinie für mobile Anwendungen.
- Prozess-orientierter Ansatz spezialisierter Logistik-Apps: Die physischen Prozesse im Lager oder Shopfloor sowie einfache Bedienbarkeit stehen im Fokus.
Beide Herangehensweisen haben ihre Anhänger, wobei IT-Fachleute tendenziell dem Transaktions-Ansatz näherstehen und Logistiker die realen Prozesse in den Vordergrund rücken. Wie auch immer: Wichtig ist, dass in einem solchen Projekt auf Seiten des Dienstleisters sowohl SAP-Kompetenz als auch detaillierte Kenntnis von Logistikprozessen zusammenkommen.
Auch mit Blick auf die Scanner-Software haben Unternehmen die Wahl: Vom SAP eigenen Fiori-Ansatz über den Weiterbetrieb oben genannter Alt-Technologien auf Android-Basis bis hin zu Spezial-Software für Business-Apps in Lager- und Produktion. Neben IT-Strategie und entsprechenden Vorgaben sollten zunächst die fachlichen Anforderungen im Vordergrund stehen und anschließend die Auswahl einer mobilen Software erfolgen.
- SAP selbst setzt für mobile Anwendungen auf die Fiori Technologie. Auf Fiori basieren viele fertige, zumeist einfache Apps für Standard-Funktionen und Reports. Lagerprozesse sind in der Regel individuell konfiguriert je nach Customizing. Das erfordert Eigenentwicklungen mit Fiori, wobei der generalistische Ansatz gerade bei komplexeren Lagerszenarien durchaus an seine Grenzen stößt, etwa bei der Unterstützung verschiedener Scanner-Hardware oder bei der App-Performance.
- Spezialisierte MDE-Software setzt häufig auf Prozessvorlagen auf. SAP-Prozesse werden so in Form von Lager-Apps umgesetzt. Spezialisierte Logistik-Apps ermöglichen mitunter auch die Anbindung von Drittsystemen neben dem SAP-Backend, womit individuelle, passgenaue Scanner-Lösungen möglich werden.
Abhängig vom jeweiligen Anforderungsprofil kann der eine oder der andere Ansatz passend sein.
Unser Tipp: Je klarer die Soll-Prozesse bekannt und beschrieben sind, z.B. in einem Lastenheft, desto einfacher wird die Planung einer MDE-Modernisierung und die Abstimmung mit einem Software-Dienstleister.
Projektteam frühzeitig planen
Häufig unterschätzt ist der Faktor Team. Die MDE-Modernisierung ist ein Investitionsprojekt, das Unterstützung verschiedener Fachbereiche im Unternehmen erfordert. Maßgeblich sind die Verantwortlichen der anfordernden Fachabteilung, oft Logistik- oder Produktionsleitung, und die IT-Abteilung sowie Spezialisten wie die Leiter von Wareneingang und Versand oder der SAP-Anwendungsbetreuer. Darüber hinaus braucht es vielfach die Mitwirkung weiterer Kollegen aus Schnittstellenbereichen – der Einkauf wird mitunter in ein Projekt einbezogen sein oder auch die Rechtsabteilung und der Datenschutzbeauftragte.
Unser Tipp: Benennen Sie die entsprechenden Mitarbeiter für ein Projekt frühzeitig und beziehen Sie sie in die Planung ein. Das sichert einen stringenten Entscheidungsprozess für die Projektpartner für Hardware und mobile Software sowie die folgende Umsetzung.
Welche Hardware eignet sich am besten?
Oben wurde es angedeutet: Ohne Partner geht es bei der erfolgreichen Portierung einer MDE-Lösung nicht. Wer die Arbeit mit einer mobilen Bestandslösung gewohnt ist, für den ist vor dem Umstieg in die heutige Android-basierte Handheld-Welt eine kompetente Beratung sinnvoll.
Die Bandbreite an verfügbaren Industriegeräten ist groß: Sie reicht von einfachen, Smartphone-ähnlichen Einstiegsmodellen mit integriertem Imager bis hin zum Ultra-robusten Mobilcomputer mit Hochleistungs-Scanner. Auch die Frage, ob sich für den Einsatz auf dem Stapler spezielle Terminals eignen oder robuste Tablets ausreichen, kann ein Hardware-Experte beantworten. Möglicherweise prüft man bei der Planung der neuen MDE-Lösung auch, ob Wearables wie Ring- oder Handschuh-Scanner zum Einsatz kommen können oder ausgewählte Prozesse durch Label-Druck ergänzt werden.
Unser Tipp: Da das Thema Hardware durchaus komplex ist, sollte es von einem kundigen Partner begleitet werden. Tools wie der Hardware-Finder oder Hardware-Ratgeber können in der Planungsphase erste Orientierung geben.
Was gibt es sonst noch zu beachten?
Einige wesentliche Aspekte für die Portierung einer MDE-Lösung auf Windows Mobile Basis sind bis hierher skizziert worden. Kurz erwähnen möchten wir in diesem Zusammenhang auch noch:
- S/4HANA: Im Kontext von S/4HANA-Umstellungen sind mit Blick auf Lager-Apps keine wesentlichen Anpassungen zu erwarten – sofern die zugrundeliegenden Prozesse im SAP bei der Umstellung unverändert bleiben.
- Projektplanung: Für die eigentliche Realisierung bzw. das Customizing einer Scanner-App können je nach Anzahl der mobilen Prozesse zwischen 3 und 6 Monaten eingeplant werden.
- Kaufmännische Ansätze: Am Markt finden Interessenten unterschiedliche Preismodelle. Zum einen gibt es das klassische Modell, das den Lizenzkauf für Software und Nutzer und die Umsetzung eines Einführungsprojektes umfasst. Außerdem findet man auch die Bepreisung je mobilem Prozess sowie nutzungsbasierte Abrechnungsmodelle (Abo-Prinzip) mit geringer Anfangsinvestition.
Fazit
Die breite Verfügbarkeit Android-basierter MDE-Hardware und die damit verbundenen Möglichkeiten moderner Logistik-Apps setzen einen starken Anreiz, bestehende Scanner-Lösungen zu überprüfen. Gibt es den Wunsch nach einer optimierten mobilen Lösung und darüber hinaus auch akuten Druck, dann ist es Zeit, die Modernisierung konkret zu planen. Die oben aufgeführten Punkte geben Impulse, wie ein solches Projekt erfolgreich umgesetzt werden kann.
Vielen Dank für Ihr Interesse, Sie hören von uns.
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