Getränke digital kommissionieren - mit mobilem LVS und Lagerleitstand

Getränke digital kommissionieren - mit mobilem LVS und Lagerleitstand

Holger Wermke
Getränkewirtschaft
Lagerlogistik

Komplexität bestimmt die Intralogistik in der Getränkewirtschaft und hier insbesondere die Kommissionierung: Saison- und Aktionsartikel ergänzen die Standardsortimente, Hersteller setzen vermehrt auf Individualgebinde, eine vielfältige Belegschaft muss unter Zeitdruck Qualität liefern.

 

Robuste Prozesse und digitale Werkzeuge wie ein mobiles Lagerverwaltungssystem helfen den Logistikleitern und Disponenten, die Kommissionierqualität hoch und die Fehlerquote niedrig zu halten.

 

Kommissionierung – ein erfolgskritischer Prozess

 

Der Kostendruck in der Supply Chain von Getränkeherstellern und -händlern ist hoch. Jeder Fehler in der Intralogistik kostet Geld. Gerade die Kommissionierung ist fehleranfällig, besonders wenn papierhaft gearbeitet wird – so die Erfahrung in unseren Projekten. Artikelvielfalt und fehlende Kontrollmechanismen können zu Fehlpicks führen. Werden diese nicht durch einen Kontrollprozess abgefangen und an den Kunden ausgeliefert, kann das zu vermeidbaren Transportaufwänden, Beschwerden und auch zu Kundenabwanderung führen.

 

Besondere Anforderungen in der Getränkelogistik

 

Grundsätzlich unterscheiden sich die Prozesse in der Lagerlogistik der Getränkewirtschaft nicht grundlegend von denen anderer Branchen. Gerade wenn SAP als ERP-System im Einsatz ist, werden bewährte Prozesslogiken genutzt. Auf diese Prozesse setzen Optimierungsansätze auf, beispielsweise durch den Einsatz mobiler Lagerverwaltungssysteme.

 

Und doch gibt es einige branchenspezifische Besonderheiten, die es zu beachten gilt:

 

  • unterschiedliche Lagerbereiche, z. B. Lagerbereiche für Bier, Alkoholfreie Getränke oder Wein und Spirituosen
  • eine EAN gilt mitunter für mehrere Artikel: z. B. Standardbier und Maibock-Variante
  • zeitliche Zwänge verhindern Kommissionier- bzw. Versandkontrollen, z. B. in der Saison
  • Die Versorgung mit Nachschub für die Kommissionierlagerplätze ist essentiell für eine reibungslose Kommissionierung – gerade in Stoßzeiten. Verzögerungen an dieser Stelle kosten wertvolle Zeit.

 

Fehlerfreie Getränke-Kommissionierung dank MDE-Lösung mit SAP-Anbindung

 

Neben diesen Branchenspezifika gibt es Prozessbesonderheiten, die im Zuge von Optimierungen bedacht werden können:

 

  • Im Wareneingang eines GFGH wird oft nur mit den Lieferdokumenten der liefernden gearbeitet. Eine einheitliche Paletten- oder Artikelkennzeichnung findet nicht statt - sieht man von den Artikel-EAN einmal ab.
  • Die Qualität der späteren Kommissionierung wird entscheidend von einem systematischen Wareneingangsprozess und sofortiger Buchung im SAP bestimmt.
  • Ein Standard-Kommissionierauftrag etwa auf Basis eines Kundenauftrages aus SAP umfasst in der Regel mehrere Artikelgruppen für verschiedene Lagerbereiche und mit entsprechendem Dispositionsaufwand für den Lagerleiter.
  • Chargenführung wird zunehmend gefordert, ist aber (noch) kein Standard

 

Digitale Intralogistik wagen

 

Im Vergleich mit anderen Branchen basiert die Intralogistik in der Getränkewirtschaft nach unserer Erfahrung vielfach noch auf klassischen Papierbelegen. Gleichzeitig werden die Vorteile digitaler Prozesse wahrgenommen und Digitalisierungsprojekte auf den Weg gebracht.

 

Ein Ansatz – gerade in der SAP-Logistik – ist die Einführung einer schlanken, mobilen Lagerverwaltung mit Funktionen wie sie bei Brauereien, Brunnen und dem Getränkefachgroßhandel erforderlich sind. Die Unternehmen, die in die Optimierung ihrer Intralogistik investieren, wollen in erster Linie

 

  • die Kommissionierqualität steigern,
  • schnellere SAP-Buchungen und dadurch höhere Bestandstransparenz sowie
  • ein effizientes Fehlermonitoring und –Controlling erreichen.

 

Getränkelogistik mit SAP

 

Per Barcode-Scan werden Lagerplätze oder Artikel eindeutig erkannt und korrekt kommissioniert.

 

Neben spezialisierten Branchen-ERP-Systemen setzen eine Reihe von Getränkeherstellern und -händlern auf SAP-Lösungen. Im Unterschied zu Branchen-ERP bietet SAP keine fertige Lagerverwaltung für die spezifischen Anforderung der Getränkewirtschaft. Dazu kommt der unterschiedliche Moduleinsatz bei den Unternehmen. Viele Unternehmen nutzen das Material Management und fahren gut damit, andere setzen das SAP Warehouse Management (Stockroom Management) ein oder organisieren die Intralogistik mit SAP EWM.

 

Darüber hinaus weicht das individuelle Customizing durchaus voneinander ab: Während einige Unternehmen etwa die Kommissionierung auf Basis von Kundenaufträgen abwickeln, nutzen andere Lieferungen oder Transporte als Trigger-Merkmal.

 

Fokussierte mobile Lagerverwaltung für die Getränkewirtschaft mit SAP

 

Grundsätzlich bieten sich verschiedene Ansätze, die Intralogistik zu digitalisieren. Für große Lagerstandorte haben Brauereien und GFGH mit Extended Warehouse Management (EWM) von SAP gute Erfahrungen gemacht. Für kleinere Standorte ist der EWM-Ansatz nach Aussage von Branchenexperten prozessseitig oft zu mächtig und restriktiv, und gleichzeitig zu kostenintensiv, als dass ein EWM-Betrieb wirtschaftlich darstellbar ist. Gesucht sind also alternative bzw. ergänzende Lösungen, um die Lagerprozesse zeitgemäß zu optimieren.

 

Eine alternative Lösung sollte die SAP-seitigen Prozesse mit den Branchenspezifika zusammenbringen und ggf. ergänzen sowie mit überschaubarem Aufwand einzuführen sein. Grundlage einer solchen Software-Speziallösung ist eine SAP-Buchungs-App für die Mitarbeiter im Lager, die alle Getränke-relevanten Prozesse beinhaltet. Die App kann durch einen konfigurierbaren Lagerleitstand für Logistikleiter und Disponenten ergänzt werden. Mit dem Leitstand für die Kommissionierung lassen sich die spezifischen SAP-Prozesse mobil und papierlos bearbeiten.

 

Folgende Prozesse sollte die Lager-App im Standard abbilden:

 

  • Wareneingang
  • Leergut-Retoure
  • Kommissionierung
  • Kommissionierkontrolle
  • Umlagerung
  • Nachschub
  • Bestandsumbuchung
  • Inventur

 

Je nach eingesetztem SAP Modul kann die Lager-App die vorhandenen SAP-Funktionalitäten dann ergänzen. Ein Beispiel: Während Transportaufträge im Rahmen von Nachschubanforderungen mit SAP WM automatisiert generiert werden, ist das in SAP beim Einsatz von MM nicht möglich und kann bei Bedarf durch die Lager-App abgebildet werden.

 

Geführte Prozesse mit der Lager-App

 

Unternehmensspezifische Barcodes begleiten die Getränkepaletten durch das Brauerei- oder GFGH-Lager.

 

Grundlage für die Lageroptimierung sind durchgängig Scan-geführte Prozesse. Das heißt, es muss in jedem Prozessschritt möglich sein, einen Prozess per Barcode-Scan zu beginnen oder zu quittieren.

 

Die Optimierung beginnt bereits beim Wareneingang. Im Zuge der Vereinnahmung wird für jede Position ein Wareneingangsetikett gedruckt, dass in Folgeprozessen zur eindeutigen Identifikation von Artikeln genutzt werden kann. In der Kommissionierung unterstützen EAN-Scans beim Erkennen der korrekten Artikel; der Versandprozess wird durch obligatorische NVE-Etiketten geführt. Dasselbe Prinzip wird bei weiteren verbundenen Prozessen eingesetzt, etwa bei Umlagerungen, der Leerguterfassung oder bei Bruchbuchungen.

 

Wichtig bei alldem ist, dass die Nutzer intuitiv durch die App-Bedienung geführt werden. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmend heterogenen Belegschaft ist die einfache und fehlervermeidende Bedienbarkeit einer Software unerlässlich.

 

Lagerleitstand erleichtert die Disposition

 

Die Buchungs-App für die Lagermitarbeiter ist das Basiswerkzeug in unserem Optimierungsszenario. In komplexeren Kontexten, z. B. wenn ein Unternehmen eine größere Zahl an Lagermitarbeitern disponieren muss oder die Prozesse über verschiedene Standorte hinweg harmonisiert und gesteuert werden sollen, kann die App-Lösung allein nicht ausreichend sein.

 

Eine ergänzende Komponente wie das mobile Lagerverwaltungssystem (LVS) setzt an dieser Stelle an. Das mobile LVS ist ein Management-Tool für Disponenten und Logistikleiter, um die Lagerabläufe – ggf. in Ergänzung zum SAP – zu organisieren und Key Performance Indikatoren (KPI) zu erhalten.

 

Folgende Funktionen kann das mobile LVS – je nach Konfiguration – umfassen:

 

  • Benutzerverwaltung inkl. Rechtemanagement
  • Management der Kommissionieraufträge inkl. Zuweisung von Aufträgen nach Regelwerken (z. B. bei leistungsabhängiger Vergütung)
  • Grafische Plantafel zur intuitiven manuellen Disposition
  • Eskalations- und Benachrichtungs-Handling mit Freigabe von Minder- oder Differenzmengen
  • Inventurkontrolle vor Buchung in SAP
  • KPI-Messung, bspw. Pickmenge nach Kiste/Flasche, Pickdauer, Prozessdauer etwa im Wareneingang oder in der Kommissionierung

 

Software-Speziallösung ergänzt SAP-Funktionalitäten

 

Die SAP-Lager-App wird durch einen Lagerleitstand für die Getränke-Kommissionierung ergänzt.

 

Wir haben oben ein schlankes LVS bestehend aus einer Lager-App für Tablet oder Handheld und einem Lagerleitstand als eine Möglichkeit für die Verbesserung von Lagerprozessen in der Getränkelogistik vorgestellt. Das mobile LVS steuert im Kern die vorhandenen SAP-Funktionalitäten fern und ermöglicht mobiles Buchen direkt während des jeweiligen Prozesses.

 

In manchen Vorhaben bietet es sich an, Branchenspezifika außerhalb von SAP abzubilden. Gerade, wenn nur die Materialwirtschaft über SAP gesteuert wird, kann ein Branchen-LVS wertvolle Ergänzungen in eine digitale Gesamtlösung integrieren.

 

Dazu 3 Beispiele:

 

  1. Auftragssplitting: Ontego splittet Kommissionieraufträge aus SAP gemäß der Unternehmensspezifischen Lagerorganisation auf. In der Regel ist das Filterkriterium der Lagerort. Beispielsweise kann das mobile LVS separate Aufträge für die zuständigen Mitarbeiter im Blocklager oder Fasslager generieren ebenso wie für andere Bereiche, etwa AFG-Lager, Bierlager etc.
  2. FIFO-Kommissionierung: Das mobile LVS gibt auf Grundlage der in SAP hinterlegten Chargeninformationen die zu kommissionierende Charge vor für einen Auftrag vor.
  3. Automatische Nachschub-Aufträge: Unterschreitet ein Artikel den definierten Meldebestand erzeugt das mobile LVS unabhängig vom SAP einen Umlagerauftrag für den entsprechenden Artikel. So ist gerade in Stoßzeiten eine kontinuierliche und planbare Kommissionierung möglich.

 

Welche mobile Hardware eignet sich?

 

Wenn die Kommissionierung auf Basis von Papier abgelöst werden sollen, braucht es alternative Werkzeuge – neben der Software ist das in erster Linie die mobile Hardware. Zunächst vorweg: Es gibt nicht die eine Lösung - je nach Arbeitsumgebung können verschiedene Hardware-Settings sinnvoll sein. Für den Einsatz auf Staplern oder Ameisen eignen sich fest installierte Stapler-Terminals oder, als günstigere Variante, robuste Tablets als Basis-Geräte für die mobile App. Das Scannen erledigen die Mitarbeiter über separate Handscanner oder auch Handschuh-Scanner, die ihre Daten per Bluetooth an das Terminal bzw. Tablet übertragen.

 

Darüber hinaus ist auch der Einsatz von Handhelds mit integriertem Imager denkbar. Ergänzt werden diese Geräte durch passend platzierte Drucker. Im Wareneingang kann das ein klassischer A4-Drucker sein, während nach der Kommissionierung Klebeetiketten mit den versandrelevanten Paletteninformationen gedruckt werden.

 

Bei einer MDE-Lösung für die Getränkelogistik können Stapler-Terminals und auch Handhelds zum Einsatz kommen.

 

Fazit

 

Papierhaftes Arbeiten ist nicht mehr zeitgemäß. Diese Erkenntnis übersetzt sich zunehmend auch bei Logistikern in konkrete Projekte. Dabei setzen die Verantwortlichen auf bewährte Arbeitsweisen aus anderen Branchen wie Scan-basierte, geführte Prozesse und ergänzende Werkzeuge wie Leitstände. Diese Ansätze müssen letztlich auf die Spezifika der Getränkewirtschaft angepasst werden und in diesem Fall sichert eine konfigurierbare Branchenlösung einen kalkulierbaren Projekterfolg. Im Ergebnis steigt die Qualität der Arbeit, verbessert sich die Bestandstransparenz, sinkt der Aufwand für Inventuren und bekommen Logistikverantwortliche ein effizientes Steuer- und Controlling-Instrument.

 

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