Lagerlift & Shuttle in SAP WM / EWM-Prozessen mobil anbinden
Holger Wermke
Automatische Lagersysteme ergänzen in vielen Unternehmen die klassische Regallagerung. Zu den erklärten Zielen von Herstellern und Anwendern gehören ein höherer Durchsatz und eine optimierte Bestandskontrolle. Weiter steigern lässt sich der Nutzen, wenn eine SAP MDE-Lösung direkt mit den Liften kommuniziert und Ein- und Auslagerungen mit SAP WM oder SAP EWM für die Mitarbeiter beschleunigt.
Moderne Lagertechnik gewinnt an Bedeutung
Der Markt für die Automatisierung im Lager ist groß. Automatische Lagersysteme sind in diesem Kontext ein Baustein – und werden von immer mehr Unternehmen genutzt. Die Bezeichnungen variieren, funktionell bieten die Systeme vergleichbare Features:
- Automatiklager
- Vertikallifte
- Shuttle
- Paternoster-Lagersystem
Angeboten werden die automatischen Lagersysteme von Full-Service Anbietern in der Logistik wie SSI Schäfer oder von Spezialisten wie den Schweizer Unternehmen Kardex oder Hänel.
Mehrwert von Lagerliften
Wo bietet der Einsatz solcher Lagertechnik einen Mehrwert? Einen sofort erkennbaren Nutzen haben die Automatikläger überall dort, wo es wenig Lagerfläche gibt. Idealerweise gepaart mit einer gewissen Deckenhöhe und mit kleinteiligen Materialien, die eben nicht palettenweise gelagert werden. Die Anbieter werben darüber hinaus damit, die Geschwindigkeit bei der Einlagerung oder in der Kommissionierung zu steigern.
Ihre Stärken spielen Vertikallifte demnach in Szenarien aus,
- in denen man Kleinteile kompakt und automatisiert lagern möchte oder
- wo Behälter bzw. Tablare platzsparend und sicher gelagert werden sollen
Konkret finden sich Lagerlifte häufig im Ersatzteillager, im Werkzeuglager oder auch als Kleinteilelager in der Produktionsversorgung.
Wer führt die Bestände: SAP oder der Lagerlift?
Die Systeme bieten meist eine integrierte Lagerverwaltung. Das ist verständlich und für eine autonome Nutzung des Liftes ist eine solche Bestandsverwaltung essentiell. Wenn nun aber der Lagerlift in einem SAP-geführten Lager zum Einsatz kommt, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Integration in eine solche Landschaft. Beide Systeme müssen miteinander kommunizieren, Bestände abgleichen, ggf. Transportauftrag bzw. Lageraufgaben des führenden SAP-Systems – falls SAP WM, EWM oder Stockroom Management im Einsatz ist - in Aufträge des Lifts übersetzen und umgekehrt...
In der SAP-gesteuerten Intralogistik kann es folgende Konstellationen geben:
- Lagerlift verfügt über eine SAP Schnittstelle
- Lagerlift bietet keine SAP-Integration
In beiden Konstellationen kann eine mobile Lagerlösung die Produktivität der Lagerlift-bezogenen Prozesse deutlich steigern. Denn die physischen Prozesse von Einlagerung und Auslagerung sind in der Regel immer von händischen Tätigkeiten der Mitarbeiter begleitet. Das bedeutet zum Beispiel, das für eine Auslagerung ein Mitarbeiter am Lift Auftragsnummern, Materialnummern, Mengen, Chargen etc. erfasst und dann … wartet. Wartet, bis der Lift das gewünschte Lagerfach oder Tablar heranfährt und öffnet.
Das kostet bei jedem einzelnen Vorgang nur Sekunden. Doch: Stellen Sie sich einmal die Frage, wie viele Einlagerungen und Auslagerungen aus einem Lagerlift Sie täglich, wöchentlich oder monatlich verzeichnen. Und wie viel Zeit jeder dieser Vorgänge bei Ihnen konkret in Anspruch nimmt.
An der Stelle kann eine mobile Lösung - oder salopp gesagt: eine Handheld Scanner-Lösung - wertvolles Potenzial freisetzen. Ganz einfach, indem eine intelligente Scanner-App sinnvoll in die Prozesse integriert wird und ihrerseits sowohl mit SAP als auch dem Lagerlift Daten austauscht. Ohne, dass der Mitarbeiter davon etwas bemerkt. Hier zwei Beispiele.
Beispiel: Ontego kommuniziert mit Hänel-Lift und SAP
In diesem Fall (zur Success Story) kommen Lagerautomaten vom Typ Lean-Lift des Schweizer Herstellers Hänel zum Einsatz.
Die Ausgangssituation: Die Hänel-Lifte verfügen über eine eigene Bestandsverwaltung auf Platzebene, die mit der Bestandsführung auf Lagerortebene (SAP IM) in SAP synchronisiert war. Nicht bekannt war im SAP, auf welchem Platz oder Tableau sich ein Material findet. Dazu noch ein paar Fakten: Die Dauer der manuellen Dateneingabe am Lift betrug zwischen 30 und 60 Sekunden je Auftrag. Monatlich gibt es zwischen 250 und 400 Lagerbewegungen mit Hänel-Bezug.
Der Prozess: Das führte anfangs zu manuellen Bereinigungsprozessen mit entsprechendem Zeitaufwand. Auch war die manuelle Eingabe von Auftragsinformationen, etwa der Materialnummer (7-stellig), der Charge (9-stellig) oder des Datums für die FIFO-Strategie (8-stellig), zeitaufwändig und fehleranfällig.
Die mobile Lösung: Vor diesem Hintergrund wurde eine automatisierte Synchronisation der Daten über die MDE Software bzw. genauer die zugehörige Server-Komponente erdacht und umgesetzt:
- 1. Das Mobilgerät erhält einen SAP-Transportauftrag zur Ein- oder Auslagerung aus dem Lift
- 2. Die Ontego-App schickt im Hintergrund Materialnummern und andere Daten an den Lift
- 3. Der Mitarbeiter lagert ein oder aus und bestätigt die erfolgten Vorgänge wie vorgesehen am Lift
- 4. Ontego kommuniziert im Hintergrund mit dem Lift und bekommt die Buchungsinformationen vom Lift
- 5. SAP erhält von Ontego die Bestandsveränderungen am Lift
Das Ergebnis:
- Einsparung von 2 bis 4 Stunden Arbeitszeit im Monat durch die Integration von MDE Lösung und Lagerlift.
Beispiel: Ontego optimiert Ein- und Auslagerung in Kardex
Die Ausgangssituation: Mehrere, zu je 2 Einheiten gruppierte, Kardex-Shuttle kommen in der Kleinteile-Verwaltung des Unternehmens zum Einsatz. Es wird SAP Warehouse Management genutzt. Die Kardex Shuttle werden über Kardex-eigene SAP-Funktionsbausteine angesteuert.
Der Prozess: Im Falle von Transportaufträgen mit Von- oder Nach-Lagerplatz in einem der Kardex-Shuttles gibt in der klassischen Arbeitsweise ein Mitarbeiter das gewünschte Tablar am Shuttle-Monitor ein und wartet auf die Bereitstellung durch den Shuttle. Das geschieht bei jedem Vorgang, ggf. an mehreren Shuttles nacheinander. Die Anforderung war, dass die Abarbeitung von TA-Positionen - von denen es pro Woche bis zu 15.000 gibt - mit der mobilen SAP-Lösung so optimiert wird, dass die Entnahme oder die Einlagerung von Waren mit möglichst geringen Wartezeiten erfolgen kann. Hierbei war zu berücksichtigen, dass sich die Lagerplätze der einzelnen Positionen auf mehrere Shuttles verteilen können und die betreffenden Tablare im Voraus angefordert werden sollen.
Die mobile Lösung: Die Kardex-Funktionsbausteine sind nicht Remote-fähig und können daher nicht direkt von der Ontego App angesprochen werden. Es wurden zunächst Z-Bausteine programmiert, die dann die Kardex-Bausteine aufrufen.
Das Vorgehen greift, wenn ein Mitarbeiter die Funktion “Einlagern nach Kardex” bzw. “Auslagern aus Kardex” startet und eine Shuttle-Gruppe auswählt; die ausgewählte Shuttle-Gruppe wird von Ontego für andere Mitarbeiter gesperrt. Zu der Shuttle Gruppe werden alle offenen TA-Positionen im SAP ermittelt und von der Anwendung vorsortiert. Die Filter sind im konkreten Fall der Lagertyp und der Bedarfstyp.
Der Shuttle-Gruppe zugehörige TA-Positionen werden aus SAP geladen. Geladen werden nach Abstimmung ausschließlich TA eines definierten Kennzeichens und Bedarfstyps. Ontego „sortiert“ die Positionen, wenn möglich, abwechselnd Shuttle 1, Shuttle 2, Shuttle 1, Shuttle 2, …
- 1. Startet der Mitarbeiter dann den Ein-/Auslager-Prozess, wird die erste Position über einen Z-Baustein direkt im Kardex angefordert. Die Quittierung erfolgt am Kardex-Display.
- 2. Wenn eine Position im zweiten Shuttle existiert, wird diese parallel und im Hintergrund von der Ontego-App angefordert.
- 3. In der Ontego-App wird der Mitarbeiter immer die aktuelle TA-Position sehen. Die App teilt ihm mit, zu welchem Shuttle er gehen muss.
- 4. Im Idealfall liegt die nächste Position im zweiten Shuttle und das im Vorfeld angeforderte Tableau ist bereits da. Im Hintergrund wird bereits die folgende Position angefordert. So werden nacheinander die beiden Shuttles einer Gruppe angefragt und die offenen TA-Positionen abgearbeitet.
- 5. Abschließend wird die Shuttle-Gruppe wieder in Ontego „freigegeben".
Das Ergebnis:
- Zeitersparnis je Position zwischen 15 und 20 Sekunden
- Zeitgewinn summiert sich auf 62 bis 83 Stunden, also etwa 2,5 bis 3,5 Tage, pro Woche
Fazit
Die zwei ausgewählten Beispiele zeigen, wie Logistik- oder Lagerleiter heute schlummerndes Potenzial in ihren Prozessen heben können. Moderne Lösungen für die mobile Datenerfassung mit SAP können mehr als nur Barcodes scannen. Über Schnittstellen tauschen solche optimierten MDE-Lösungen nicht nur Daten mit SAP, sondern auch mit Drittsystemen wie automatischen Lagerliften. Und ermöglichen über eine gezielte Teil-Automatisierung von Prozessen messbare Zeitersparnis und Produktivitätszuwächse.