SAP Fiori & Barcode Scanner - geeignet für Lagerlogistiker?

SAP Fiori & Barcode Scanner - geeignet für Lagerlogistiker?

Paul Schmidt
Lagerlogistik

Mit SAP Fiori bietet SAP ein Designkonzept für einheitliche und moderne Oberflächen auf Desktop-Bildschirmen, aber erklärtermaßen auch für mobile Endgeräte. Die Frage im Kontext mobiler Lagerlösungen ist: Lassen sich mit Fiori auch flexible und performante Scanner-Apps realisieren?

 

Der Ansatz von SAP

 

Der Fiori-Ansatz umfasst allgemeingültige Gestaltungsrichtlinien für das SAP-Ökosystem. Auf dieser Basis bietet die SAP fertige Standard-Apps für transaktionale- oder analytische Anwendungen. SAP-Anwender können darüber hinaus grundsätzlich auch eigene Fiori-Anwendungen entwickeln.

 

Als zentraler Einstieg in Fiori-Anwendungen hat sich das Fiori-Launchpad, sozusagen der Startbildschirm von SAP, etabliert. Das Launchpad können Anwender sowohl in einer Desktop-Variante als auch über die Launchpad-App für Android und iOS nutzen. Wichtigstes Erkennungsmerkmal sind sicher die Kacheln, über die einzelne Anwendungen aufgerufen werden. Unternehmen können Fiori unter SAP S/4HANA standardmäßig nutzen, für ältere SAP-Versionen stehen ausgewählte Fiori-Apps zur Verfügung.

 

Fiori und Lageranforderungen im Überblick

 

Welche Anforderungen bestehen nun aber für mobile SAP-Lösungen in der Intralogistik und was kennzeichnet Fiori im MDE-Kontext?

 

MDE-Anforderungen in der Intralogistik

  • Lager-Mitarbeiter ohne SAP-Expertise
  • kleinformatige Eingabe-Displays
  • lageroptimierte Bildschirmtastaturen
  • nutzerfreundliche, prozessorientierte Bedienung
  • Unterbrechungshandling
  • Handheld Scanner-Lösung mit Eignung für den Offline Betrieb
  • flexibler Einsatz von Geräteperipherie (alle Typen)
  • Integration von Drittsystemen zur Prozessoptimierung

 


Fiori

  • für Desktop-Eingaben konzipiert
  • permanente Datenverbindung vorausgesetzt
  • überträgt große Datenvolumina
  • Mehraufwände für ein funktionierendes Unterbrechungshandling
  • kompatibel nur mit ausgewählter Geräteperipherie
  • Geeignet für: Büro-Anwender, Mobilgeräte mit größeren Bildschirmen, Abbildung einfacher Standard-Prozesse

 

Im Lager sind spezialisierte SAP-Apps gefragt.

 

Standard-Fioris für mobile Logistik-Prozesse? Leider nein...

 

SAP bietet keine fertigen Fiori-Apps für Logistikprozesse in Lager und Produktion speziell für die Nutzung auf Handhelds. Diejenigen Apps, die es in der SAP Bibliothek für Buchungen wie SAP Wareneingang oder Umlagerungen gibt, sind für Desktop-Eingaben konzipiert und von der angebotenen Datenfülle nicht für kleine Mobilbildschirme optimiert. Darüber hinaus ist auch keine Entwicklung von Standard Fiori-Apps für SAP WM (bzw. Stockroom Management unter S/4HANA) vorgesehen.

 

Wenn nun eine Eigenentwicklung mobiler MDE-Anwendungen mit Fiori ins Auge gefasst wird, sollten entsprechende zeitliche und finanzielle Aufwände kalkuliert und ggf. einer mobilen Speziallösung gegenübergestellt werden. Vor dem Hintergrund des in der Regel individuellen Customizings des SAP-Systems wird auch eine Scanner-Lösung - ob mit Fiori oder anderer Technologie – immer eine unternehmensspezifische Anpassung erfordern.

 

MDE-Projekte mit Fiori, selbst für einfache Anwendungen, fangen nach unserer Erfahrung in der Regel zwischen 25 und 30 Arbeitstagen an bzw. liegen die Kosten zwischen 50- und 70.000 Euro.
-Marco Grimmig, Vertriebsleitung, OPAL Associates GmbH

 

 

Fiori fordert vom Entwickler Erfahrung mit mobilen Prozessen

 

Fiori-Apps erfordern Entwicklungsaufwand und mobiles Know-how
Codebeispiel Quelle: blogs.sap.com

 

Technische Aspekte sollen an dieser Stelle nur skizziert werden, weil hier in erster Linie die IT-Abteilung gefragt ist: Fiori trennt zwischen Oberflächen und Daten, genauer gesagt dem Datenservice, der die Kommunikation mit SAP ermöglicht. Die Kommunikation im Fiori-Kontext erfolgt über die Schnittstellentechnologie oData – entsprechende Kenntnisse im Unternehmen oder bei SAP-Beratern sind für mobile Fiori-Anwendungen erforderlich. Darüber hinaus basieren Fiori-Oberflächen auf gängigen Web-Technologien wie JavaScript, Cordova u.ä., die sich ein ABAP-gewohnter SAP-Anwendungsentwickler ggf. erst aneignen muss. Nicht zuletzt braucht eine Lager-App auch eine nutzerfreundliche, prozessorientierte Bedienung – ein Verständnis für mobile Design-Prinzipien ist daher unerlässlich.

 

 

Wie geht Fiori mit Peripherie-Geräten um?

 

Das Fiori-Framework ist von Haus aus nicht für die speziellen Anforderungen des mobilen Arbeitens im Lager und der Produktion ausgelegt. Die Prozesse in der Logistik und auf dem Shopfloor erfordern einen flexiblen Einsatz von Geräteperipherie, wie Barcode-Scanner, NFC, RFID oder Kamera für OCR-Texterkennung. Während die Kamera-Nutzung durch Fiori vorgesehen ist, werden andere, in der Intralogistik relevante Geräte-Features nicht unterstützt, sondern müssen bei Bedarf individuell implementiert werden. So unterstützt das Fiori-Scan-Plug-in aktuell nur die Scan-Engine des Herstellers Zebra – mobile Hardware anderer Hersteller kann dann nicht genutzt werden.

 

Kritik aus der Praxis: Performance ist die Schwäche

 

Ein häufig geäußertes Manko und vermutlich das in der Praxis am schwerwiegendste: Fiori überträgt vergleichsweise große Datenvolumina bei der Kommunikation zwischen Client-App und SAP-Backend. Damit leidet die Leistungsfähigkeit einer Scanner-App und letztlich auch die Akzeptanz der Lagermitarbeiter. Die spürbaren Performance-Einbußen sorgen spätestens bei einem globalen Roll-out für spürbare Latenzen bei den Werken, die weit entfernt vom SAP-System sind. Diese Performance-Schwierigkeiten sind ein Hauptgrund, warum von Fiori als Technologie für MDE-Apps abgesehen wird.

 

Gut gemeinte Prinzipien, die dem rauen Lager-Alltag jedoch nicht genügen

 

Die Akzeptanz einer SAP MDE-Lösung hängt entscheidend von der Bedienfreundlichkeit ab. Fiori ist keine originär auf den Einsatz auf Handhelds ausgerichtete Technologie. Das macht sich in Details bei der Bedienung von Fiori-Apps auf MDE-Geräten bemerkbar. Anwender berichten zum Beispiel von unerwünschtem Verhalten von Bildschirmelementen, z. B. dem ungewollten Einblenden der nativen Android-Tastatur. Spezialisierte Mobilanwendungen nutzen dagegen eigene Bildschirmtastaturen, die für den Einsatz auf Industrie-Handhelds im Lager optimiert sind.

 

Darüber hinaus bietet Fiori als Technologie kein Know-how oder Design-Standards zur optimierten Nutzerführung auf einem Mobilgerät. Fiori-Apps werden oft häufig vom Desktop-bzw. Büro-Anwender her gedacht. Im Lager aber arbeiten Mitarbeiter, die auf kleinen Displays Eingaben vornehmen sollen und üblicherweise keine SAP-Experten sind. Beides erfordert intuitive Masken und konsequenten Verzicht bei den angezeigten Informationen.

 

Lagerlogistik Nutzerführung

 

SAP first: keine Anbindung von Drittsystemen

 

Als native SAP-Technologie ermöglicht Fiori praktisch ausschließlich die Kommunikation mit SAP. Die Integration von Drittsystemen in die mobile Anwendung, z. B. eines Dokumentenmanagementsystems, Manufacturing Execution Systems (MES), Betriebsdatenerfassung (BDE), einer Datenbank, oder die mobile Anbindung eines Liftsystems oder Waagen, ist nur mit einer offenen Software-Plattform möglich.

 

Online-Verbindung wird vorausgesetzt

 

Fiori-Apps sind standardmäßig als browser-basierte Anwendungen konzipiert. Das heißt im Fall einer Logistik-Anwendung im Lager, dass eine permanente Datenverbindung per WLAN oder Mobilfunk vorhanden sein muss, um Daten aus SAP abzurufen und zurückzuschreiben. Nun gehören kurzzeitige Verbindungsabbrüche im Lager zum Alltag und eine Lager-Anwendung sollte mindestens ein Unterbrechungs-Handling auf dem Mobilgerät leisten. Das ist mit Fiori möglich, aber auch mit Mehraufwänden verbunden. Wer dagegen Scanner-Lösungen mit erweiterter oder vollständiger Offline-Fähigkeit benötigt, wird mit einer spezialisierten Software besser fahren.

 

Fazit: es geht präziser, wenn man Effizienz im Blick hat

 

Dieser kurze Überblick macht deutlich, dass Fiori durchaus für mobile Anwendungen geeignet ist, insbesondere wenn die Anwendungen einfache Prozesse abbilden oder auf Mobilgeräten mit größerem Bildschirm genutzt werden und die Performance eine untergeordnete Rolle spielt. MDE-Lösungen in der SAP-Intralogistik sind in der Regel für sehr spezifische Prozesse und Anwender vorgesehen, die über die SAP-Standardtechnologie nur unzureichend bedient werden können. In diesen Fällen lohnt die Prüfung alternativer Ansätze.

 

 
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